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Guten Tag!

Wie entstehen Fake News? Durch Überschriften in der Tagespresse, die sich seriös nennt. Ein Beispiel dafür lieferte das Westfalenblatt in Zusammenarbeit mit dem Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler in den letzten Tagen. Wer die Meldung nicht bis zum Ende liest, fällt auf die Suggestion der Überschrift herein.
Zweifelsohne ist es ein Problem für Bundestagsabgeordnete, wenn nationale Interessen ein bestimmtes Bauprojekt in ihrem Wahlkreis verlangen und voraussichtlich auch durchsetzen werden. Also beantworten wir die Frage: Was können Abgeordnete erreichen?

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DB dementiert: Keine Neubauten gestrichen

Wie im letzten Newsletter 2/2024 beschrieben und erwartet, hat die DB nun auch offiziell bestätigt, dass keine Planung vom Tisch ist, sondern Planungen und Baumaßnahmen weiter verfolgt werden:

https://www.deutschebahn.com/de/presse/pressestart_zentrales_uebersicht/Deutsche-Bahn-Keine-Streichung-von-Aus-und-Neubauprojekten-geplant-12680588

Das gilt also auch für die Neubaustrecken Bielefeld – Hannover und Hannover – Hamburg. Und: Die nachfolgende Meldung hätte es in Kenntnis dieser Pressemitteilung gar nicht geben dürfen.

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Schäffler: „ICE-Trasse endgültig gestorben“

So titelt der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler (FDP) selbst seine Pressemeldung vom 7. Februar 2024.

https://frank-schaeffler.de/ice-neubaustrecke-zwischen-bielefeld-und-hannover-endgueltig-gestorben/

Schon am Tag vorher war diese Zeile im „Westfalenblatt“ zu lesen:

https://www.westfalen-blatt.de/owl/kreis-minden-luebbecke/schaeffler-neue-ice-trasse-endgueltig-gestorben-2914925?pid=true

Schon in der nächsten Zeile des Zeitungsartikels liest sich das anders:
„Das milliardenschwere Projekt sei nicht finanzierbar, sagte Schäffler am Dienstag (6. Februar) in Bünde (Kreis Herford). Es sei deshalb gut und richtig, dass sich der Bund nunmehr auf das Machbare konzentriert“.

Es handelt sich also um nichts weiter als die ganz persönliche Einschätzung des Abgeordneten. Was ist wahr daran? Gegenwärtig nichts, denn der Bundestag hat über die Finanzierung des Projekts nicht entschieden. Diese Entscheidung steht erst in einigen Jahren an.

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Ablauf und Stand der Planungen zum Deutschlandtakt
und der Einfluss der Bundestagsabgeordneten

Schritt 1: Gutachten
Anders als bei früheren Planungen steht am Anfang das Deutschlandtakt-Gutachten, dessen 3. Entwurf derzeit maßgeblich ist. Dieser Entwurf wird derzeit fortgeschrieben, und im Rahmen dieser Fortschreibung ist keine Änderung der Zielfahrzeiten im Fernverkehr zu erwarten. Der Bundestag ist dabei nicht unmittelbar beteiligt, hat aber im Rahmen der Beratungen des Beschleunigungsgesetzes eine bessere Einbindung gefordert. Da es sich hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Schienennetzes und der Zielfahrzeiten um eine in erster Linie technisch-mathematische Arbeit auf der Basis geografischer Fakten handelt, ist kaum zu erwarten, dass Bundestagsabgeordnete in der Lage sind, Einzelprojekte gegen den Sachverstand der Gutachter aus dem Plan zu kippen und deren Planung zu verhindern oder zu verändern.
Damit steht aber die Grundstruktur der Neubau-Vorhaben und deren verkehrspolitische Begründung fest.

Schritt 2: Bundesschienenwegeausbaugesetz
Damit Neubau-Vorhaben geplant und finanziert werden können, müssen sie im Bundesschienenwegausbaugesetz benannt werden. Dies ist für alle Deutschlandtakt-Projekte mit der am 29. Dezember 2023 in Kraft getretenen Novelle erfolgt.

https://initiative-deutschlandtakt.de/beschleunigungsgesetz/

Im Gesetzgebungsverfahren hat sich gezeigt, dass das Deutschlandtakt-Gutachten mit seiner fachlich begründeten Gesamtsicht in der Lage ist, örtliche Interessen zurückzudrängen. Während im Gesetz von 2016 noch Einwände gegen die Neubaustrecke Hannover – Bielefeld als Fußnote in das Gesetz aufgenommen wurden, konnten regionale Einzelinteressen solche Einwände im Jahr 2023 nicht mehr durchbringen.

Schritt 3: Konkrete Planung
Die konkrete Planung erfolgt auf der Grundlage des Gesetzes und nach Maßgabe des Deutschlandtakt-Gutachtens und endet mit dem Vorschlag einer Vorzugs-Trasse und deren Prüfung auf das Nutzen-Kosten-Verhältnis. Auch hierauf ist der Einfluss der Abgeordneten gering, da vor allem fachliche Kriterien maßgeblich sind. Zwar ist denkbar, dass der Bundestag signalisiert, dass er einer bestimmten Planung nicht zustimmen werde bzw. die Mehrheit nicht erreicht würde. Das verspricht aber nur Erfolg, wenn es fachlich akzeptable Alternativen gibt, auf die sich das Bundesverkehrsministerium einlässt und den Antrag ändert.
Wenn aber eine fachlich nicht vertretbare Alternative verfolgt wird, werden DB-Vorstand und Bundesverkehrsministerium die Ablehnung nicht riskieren, auf Zeit spielen, bis sich die fachlichen Argumente durchsetzen.
Genau das geschieht gegenwärtig hinsichtlich der Schnellfahrstrecke Hamburg – Hannover. Die Vorzugs-Trasse ist fertig, aber nicht veröffentlicht, weil der SPD-Vorsitzende Klingbeil sie wegen Betroffenheit seines Wahlkreises bekämpft. Die Neubaustrecke Bielefeld – Hannover steht erst mitten in dieser Planungsphase.

Schritt 4: Befassung durch den Bundestag
Zu der vorgelegten Planung kann der Bundestag „ja“ oder „nein“ sagen. Eine andere Planung kann der Bundestag aber nicht vorlegen und beschließen. Genau das ist das Problem in Sachen Hannover – Bielefeld: Es wird sich wohl kaum eine Mehrheit finden, die gegen die fachlichen Argumente die Regierung verpflichten würde, eine andere Planung zu verfolgen.

Schritt 5 Finanzierung
Die Finanzierung ist der eigentliche Knackpunkt. Der Bundestag kann auch an dieser Stelle nur erreichen, dass der Bau nicht finanziert wird, nicht aber, dass etwas anderes geplant wird. Das hat der damalige Staatssekretär Lothar Ibrügger (SPD) erfahren müssen, der in der zweiten Regierung Schröder den Weiterbau der Strecke Erfurt – Nürnberg verhindern wollte und die Finanzierung blockierte. Außer einer Verzögerung von mehreren Jahren hat Ibrügger nichts erreicht.

Dass die Finanzierung des Deutschlandtakts der Knackpunkt ist, steht außer Frage. Es ist auf fachlicher Ebene schon länger klar, dass die Finanzierung nach Haushaltslage und Gutdünken von einzelnen Politikern Gift für den notwendigen Ausbau des Schienennetzes ist. Ein Sondervermögen als Fonds würde diese Einflussfaktoren deutlich vermindern. Die Allianz pro Schiene legt dar, dass die Finanzierung des Schienennetzes über Fonds möglich ist:

https://www.allianz-pro-schiene.de/themen/aktuell/verfassungsrechtler-zu-schienenfonds-eine-gesetzesaenderung-genuegt/

Fazit:
Die Chance, bestimmte Projekte zu verzögern, ist unter den gegenwärtigen Bedingungen groß. Darunter leidet der Ausbau des Schienennetzes seit Jahrzehnten. Der Deutschlandtakt wird insoweit den Druck steigern, neue Wege zu eröffnen.
Die Chance, bestimmte Projekte gegen fachliche Argumente zu verändern und eine andere Planung durchzusetzen, ist sehr gering bis aussichtslos. Der Deutschlandtakt hat diese Möglichkeiten gegenüber früheren Zeiten deutlich vermindert.


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Weitere Stellungnahmen
zur aktuellen Situation sind in einem Artikel der Neuen Westfälischen vom 10. Februar 2024 nachlesbar, Titel „Investitionsstau bremst Bahn":
https://www.pressreader.com/germany/Neue-Westfalische-haller-kreisblatt/20240210/281651080013941
Die Vorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland Kerstin Haarmann weist darauf hin, dass die Neubaustrecke Hannover – Bielefeld zu den Top 12 Engpassbeseitigungen gehöre, und fordert eine überjährige Finanzplanung.
Der Bundestagsabgeordnete Robin Wagener (Bündnis 90/Die Grünen) aus Lippe weist darauf hin, dass es ab 2025 Finanzlücken im Verkehrshaushalt gebe, dass aber bislang kein Projekt gestoppt worden sei.


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Rainer Engel, Referent Deutschlandtakt
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