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Guten Tag!

Noch sind nicht alle Streichungen bekannt, die der Bundeshaushalt 2024 enthält. Haben Sie davon gehört, dass die Möglichkeit gestrichen wurde, die PIN zum Personalausweis zurückzusetzen? Die Briefe mit einer neuen PIN sollen eingespart werden. Eine einzige Pressemeldung findet man dazu.
Daher ist es schon beachtlich, dass es in den letzten Tagen durch die große Presse ging, dass die Mittel für die Bahn von 40 auf 27 Milliarden Euro reduziert wurden.

Quellen

Wenn Sie selbst nachlesen möchten:
Information:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/bahn-stoppt-neubau-haushaltskrise-100.html?utm_source=ground.news&utm_medium=referral
https://www.welt.de/wirtschaft/article249893480/Deutsche-Bahn-streicht-Streckenneubau-nach-Haushaltskuerzungen-zusammen.html
Reaktionen:
https://www.youtube.com/watch?v=UENCBvHYXDU
https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/haushaltskuerzungen-bahn-streicht-neubauplaene-/29635722.html

Erste Bewertung der politischen Situation

Die Streichung von Bundesmitteln in Höhe von einem Drittel für die Deutsche Bahn ist ein harter Schlag gegen das Verkehrssystem Schiene. Das ist wohl auch der Grund, warum diese Kürzung in den letzten Tagen und damit sehr früh in die Öffentlichkeit kam und durch alle großen Medien weiter verbreitet wurde. Die Kürzungspläne dürften schon früher diskutiert und bekannt gewesen sein, wie der oben verlinkte Film zeigt. Vermutlich ist in der Regierungskoalition ein Punkt erreicht, an dem nichts anderes mehr geht als das Durchziehen einmal vorgelegter Pläne – trotz aller Proteste. Und es ist besonders einfach, dort zu kürzen, wo sich der unmittelbare Betroffene nicht wehren kann – der Staatskonzern Deutsche Bahn. Die Bahn kann keine Traktoren vor den Reichstag schicken.

Was bewirken die Kürzungen?

Die Kürzung kommt von jetzt auf sofort. Die DB kann Aufträge zum Bau nicht mehr vergeben. Das trifft vor allem Projekte, die gerade fertig geplant und planfestgestellt sind, aber für die noch nichts investiert ist und damit Vorleistungen nicht nutzlos werden.
Diese Situation trifft beispielsweise für die Güterbahn durch das Rheintal zwischen Offenburg und Buggingen zu: Hier liegt erst der erste Planfeststellungsbeschluss vor, sodass die Ausschreibung von ersten Baumaßnahmen wie die Verlegung von Straßen und der Bau von Brücken über die geplante Bahnlinie sowie der Umbau von Autobahn-Anschlussstellen zu vergeben wäre. Es trifft genauso die Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim und den Bau der Zufahrt zum Fehmarnbelt-Tunnel, dessen Bau bereits im Gang ist. So erklärt sich das, was in den Pressemeldungen als „Streichliste“ kursiert.

Haushalt, internationale Verträge und Europa

Der Hinweis auf die Fehmarnbelt-Querung zeigt aber, wie brisant die „Bahnpolitik nach Kassenlage“ ist. Der Tunnel unter dem Fehmarnbelt ist bereits begonnen und soll nach Angaben des Bauherrn (das ist hier nicht die DB) 2029 fertig sein. Die Fertigstellung des Tunnels unter dem Fehmarnsund ist noch nicht planfestgestellt und noch nicht begonnen, sollte aber auch 2029 fertig sein. Zum einen würde ein Stopp des Baues gegen internationale Verträge verstoßen, zum anderen den Tunnel unter dem Belt als Torso darstellen. Die vorhandene Brücke über den Sund ist den künftigen Anforderungen nicht gewachsen ist und kann allenfalls für den Personenverkehr noch eine gewisse Zeit dienen.
Was allerdings internationale Verträge wert sind, zeigt sich an der Rheintalbahn: Der Tunnel durch den Gotthard ist fertig (wenn auch wegen eines Unfalls derzeit nur für den Güterverkehr nutzbar). Der Zulauf zum Gotthard ist seit Jahrzehnten im Rückstand. Die Schweiz hat keine Möglichkeiten, auf die schleppenden deutschen Planungsverfahren und die fehlende Finanzierung einzuwirken.

Es trifft vor allem den Güterverkehr

Wie die Pressemeldungen zutreffend berichten, trifft die Finanzlage vor allem den Güterverkehr, weil Engpässe nicht aufgelöst werden können. Ohne die immer wieder gescholtene Privatisierung der Bahn gäbe es nicht einmal eine Lobby, die darauf hinweisen würde. Mehr als 50 % des Schienengüterverkehrs ist nicht mehr in der Hand der Deutschen Bahn.

Gestrichen oder verschoben?

Die meisten Pressemeldungen nennen das, was die DB tun muss, „Streichung“. Nur wenige nennen es zutreffend, dass die Projekte nicht aufgegeben, sondern nur verschoben werden. Das eine wie das andere ist für den Wirtschaftsstandort Deutschland verheerend und wird die Bereitschaft ausländischer Investoren herabsetzen, noch Produktionen in Deutschland neu aufzubauen: Deutschland wird als Standort unberechenbar und verliert Vertrauen.

Wird auch die Planung gestoppt?

Das suggerieren Pressemeldungen (auch die Neubaustrecke Hamburg – Hannover wird genannt), aber es ist unwahrscheinlich, dass das geschieht. Die Kosten der Planung sind Kleingeld gegenüber den Baukosten. Vor allem wäre der Stopp von Planungen für die DB kontraproduktiv. Nur mit einem Planungsvorrat hat die Bahn eine Chance.

Politische Chance

Ob diese Kürzung eine politische Chance ist, ist noch nicht absehbar. Die Kürzungen zeigen, dass die Finanzierung von Großbauvorhaben mit der bisherigen Haushaltspolitik nicht möglich ist. Die gegenwärtige Finanzpolitik steht im Gegensatz zu den Beschlüssen zum Bundesschienenwegeausbaugesetz, das mit der Übernahme der Projekte des Deutschlandtakts ein Zeichen gesetzt hat und Projekte betrifft, die nach realen Baukosten das Zehnfache der jetzigen Kürzung erfordern.
Es braucht immer eine tiefe, unübersehbare Krise, damit Entscheidendes verändert wird. Die Bahnreform 1994 war das Ergebnis einer solchen tiefen Krise der Bundesbahn – nur die damaligen Rezepte haben nicht funktioniert. Der Ukraine-Krieg ist eine solche Krise, auf die mit dem Sondervermögen Bundeswehr reagiert wurde. Die heutige Krise der Bahn ist offenkundig, aber noch nicht dramatisch genug. Die jetzige Mittelkürzung wird die Krise verschärfen und den Handlungsdruck erhöhen. Warum?

Nachtrag: Eine Fondslösung für den Aus- und Neubau der Schienenwege ist durch Änderung des Gesetzes möglich, wie die Allianz pro Schiene darstellt.

Generalsanierungen werden Probleme schonungslos offenlegen

Das noch verfügbare Geld soll auf die Sanierung des Netzes konzentriert werden. Die Generalsanierung Frankfurt – Mannheim wird Fahrzeiten und Kapazität noch nicht gravierend reduzieren, da es zwei Umleitungsstrecken gibt. Die Generalsanierung Hamburg – Berlin wird ebenfalls noch nicht so stark spürbar werden. Die Generalsanierung Oberhausen – Emmerich wird 2025 aber schon gravierend in den Güterverkehr eingreifen, weil die Umleitungsstrecke über Venlo immer noch eingleisig ist und man ein kleines Ausbauprojekt wegen der Haushaltspolitik immer nach hinten geschoben hat. Die Generalsanierung Regensburg – Passau (2026) wird gravierend sein, weil die Elektrifizierung der Umleitung über Mühldorf nach Salzburg nicht zur Verfügung steht. Auch hier wurde der Ausbau des Netzes viel zu spät in Angriff genommen. Und so wird es Jahr für Jahr mit fast jeder neuen Vollsperrung offenbar werden, dass die Auswirkungen so übel sind, eben weil man den Bedarf des Ausbaues über Jahrzehnte vor sich hergeschoben hat.
Ob diese Erfahrungen genügen werden, um ein Umdenken bei Haushaltspolitikern und im Kanzleramt zu erreichen? Wir können nur darauf hoffen, dass Bundestagsabgeordnete am eigenen Leib und in ihren Wahlkreisen das zu spüren bekommen.

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Rainer Engel, Referent Deutschlandtakt
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