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Guten Tag!

Jenseits des Themas Neubaustrecke müssen wir die politische „Großwetterlage“ im Auge behalten, und die sagt: „Güter auf die Autobahn!“ Warum diskutieren wir eigentlich noch über die Neubaustrecke?

Plenum verschoben

Eigentlich sollte am 8. März 2023 das 8. Plenum des Bürgerdialogs stattfinden, diesmal erstmals als Hybrid-Veranstaltung in Bückeburg. Wenige Tage vorher sagte das Planungsteam der DB die Sitzung ab. Begründung (Originaltext):

„Viele von Ihnen hatten sich für den nächsten Termin die Teilnahme eines Vertreters oder einer Vertreterin des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr gewünscht. Da dies am 8. März terminlich nicht möglich ist, werden wir schnellstmöglich einen neuen Termin suchen.“

Ein neuer Termin ist noch nicht bekannt.

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Theurer fordert gesellschaftlichen Konsens

Pressemeldung vom 06.03.2023 (Originaltext):

https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/schienenausbau-theurer-fordert-gesellschaftlichen-konsens-18726754.html

Neben langen Planungs- und Genehmigungsverfahren bremsen aus Sicht des Bahn-Beauftragten der Bundesregierung, Michael Theurer, vor allem Bürgerproteste den Ausbau der Schiene. «Wir unternehmen große Mühen, um vor Ort einen Konsens zu erzielen. Aber das kostet Zeit. Zur Wahrheit gehört, dass die Aus- und Neubaustrecken vor Ort regelmäßig großen Widerstand auslösen», sagte der Chef der Südwest-FDP der «Schwäbischen Zeitung» (Montag).

«Am Sonntag sind die meisten Menschen dafür, dass Güter auf die Schiene verlagert werden. Aber wenn sie selbst betroffen sind, dann wird von Montag bis Samstag gegen Güterverkehrsstrecken demonstriert.» Das sei am Brennerzulauf so, in der Lüneburger Heide, wo es um die bessere Anbindung des Hamburger Hafens gehe, auch zwischen Hannover und Bielefeld. «Eigentlich fast immer. Nötig ist aber ein gesamtgesellschaftlicher Konsens für die Stärkung der Schiene.»

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Delegation aus OWL bei Theurer ohne Erfolg

Nach dieser Aussage von Theurer durfte es nicht verwundern, dass eine Delegation der Protestierenden unter Führung des Vlothoer Bürgermeisters Rocco Wilken aus Ostwestfalen-Lippe am 7. März mit leeren Händen aus Berlin zurückkehrte. Bei dem Gespräch waren auch hohe Beamten aus dem Verkehrsministerium und Bahn-Projektleiter Carsten-Alexander Müller zugegen. Einen Kurzbericht gibt es bei Radio Herford:

https://www.radioherford.de/nachrichten/kreis-herford/detailansicht/ice-trasse-owl-delegation-nach-gespraech-mit-ministerium-ernuechtert.html

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Lkw statt Güterbahn - Blick in die Bundespolitik


Wie viel Rückhalt hat Staatssekretär Theurer aber überhaupt für seine Politik? Muss der Deutschlandtakt nicht als Ganzes aufgegeben werden? Diese Fragen stellen sich angesichts von Meldungen, die ganz unverbunden neben dem zu stehen scheint, was sich in Ostwestfalen-Lippe gerade abspielt.

„Deutschlandtakt erst 2070“

Diese Schlagzeile ist grob verkürzt und lautet richtig: „Deutschlandtakt erst 2070 komplett umgesetzt“:

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/bahn-deutschlandtakt-101.html



Es ist keine Frage, dass alle Vorhaben des Deutschlandtakts mit einem Volumen von 60 Mrd. Euro (Baukosten 2015) nicht kurzfristig zu realisieren sind. Finanzmittel, Fachkräftemangel und Kapazitäten der Bauwirtschaft werden das nicht zulassen. Eine brauchbare Liste der Prioritäten gibt es nicht. Wer aber die Zahl 2070 mit gerade den drei umstrittensten Neubauprojekten (siehe oben in der Aussage von Theurer) in Verbindung bringt, übersieht, dass gerade diese die gravierendsten Engpässe im Güterverkehr sind und daher hoher Druck auf die Beschleunigung und frühe Finanzierung besteht. Nur: Ist die derzeitige Bundesregierung überhaupt dazu bereit?

„Verkehrsministerium erwartet Lkw-Boom“

https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/verkehr-lkw-wissing-lang-101.html



Die gesamte Eisenbahn-Branche hat gegen diese Prognose protestiert, die nur einen schwachen Zuwachs des Güterverkehrs auf der Schiene prognostiziert. Einige Gesichtspunkte: Es werden keine Szenarien hinsichtlich der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung betrachtet, und es werden keine Szenarien zu den politisch beeinflussbaren Rahmenbedingungen betrachtet. Insgesamt arbeitet die Grundsatzabteilung des Verkehrsministeriums offenbar auf einem anderen Stern als die Eisenbahn-Abteilung und meint, dass die Setzung von Rahmenbedingungen durch die Politik keinerlei Einfluss auf die Verkehrsentwicklung habe und daher auch nicht zu berücksichtigen sei. Ein Blick in die Schweiz zeigt, dass es anders geht. Mit einer entsprechenden Bepreisung kommen die Lkw auf die Schiene.

„Lindner gegen Verbrenner-Aus“

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-03/lindner-verbrenner-motoren-fdp

Vor allem Langstrecken-Lkw sollen weiterhin mit „E-Fuel“ fahren dürfen, also mit Treibstoff, der auf einem langen Weg gewonnen wurde: Überschuss-Strom aus Wind und Sonne soll in Wasserstoff umgewandelt werden und zu herkömmlichem Treibstoff weiterverarbeitet werden. Experten weisen darauf hin, dass dieser Weg großtechnisch noch gar nicht erprobt ist und die Energie-Effizienz vom Kraftwerk bis zum Rad bei etwa 15 % liegt. Darüber hinaus wird dieser Treibstoff für Flugzeuge benötigt, während Wasserstoff in Lkw direkt eingesetzt werden kann, um Elektromotoren anzutreiben.
Der Hintergedanke dürfte sein: So könnte weiterhin auch Treibstoff aus Rohöl eingesetzt werden und ein „Weiter wie bisher“ zulassen.

Ein Interview des ZDF der letzten Tage mit einem der insoweit maßgeblichen FDP- Politiker gibt Aufschluss:

https://www.youtube.com/watch?v=XrCeJOal_eg

Aus den Ausführungen des stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Bundestag Lukas Köhler:

„Klimaschutz ist enorm wichtig. Deshalb ist es der richtige Schritt, dass auf europäischer Ebene der europäische Emissionshandel jetzt erweitert worden ist auf die Sektoren Verkehr und Wärme.
Der zentrale Ansatzpunkt über Politik sollte sein, möglichst viele Emissionen schnell zu reduzieren. Das geht eben am besten bei Emissionshandelssystemen, deswegen müssen wir aus unserer Sicht so schnell wie möglich in Deutschland ausweiten und den Ausstoß über das Limit verbieten, und was darunter ausgestoßen wird, regelt sich über den Markt.“

Emissionshandel auf EU-Eben heißt aber: Die deutschen Unternehmer können den ärmeren Ländern, die sich weder gute Eisenbahnen noch gute Straßen leisten können, die Emissionsrechte wegkaufen. Dazu passt die im Beitrag zitierte Aussage von Verkehrsminister Wising: „Wir brauchen den beschleunigten Ausbau der Straße, wenn wir unseren Wohlstand sichern wollen.“

Warum dann noch Autobahnen gebaut werden müssen, erklärte Köhler nicht – obwohl genau das die Frage des Beitrages war. Dahinter stehen könnte die Erwartung, dass der Lkw aufgrund der mangelhaften Kostenwahrheit immer noch billiger bleibt als die Bahn, die weitaus weniger Energie verbraucht.

„Planungsbeschleunigung auch für Autobahnen“

https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/faktenblatt-bund-auswertung-autobahn-projektliste-zur-engpassbeseitigung/

Die FDP versucht, entgegen dem Koalitionsvertrag auch für Autobahnen durchzusetzen. 144 Autobahnen-Abschnitte mit einer Länge von 1.300 km sollen auf bis zu 10 Spuren ausgebaut gebaut werden.
Durchaus beachtlich ist die über den obigen Link erreichbare Auswertung des BUND, der versucht, die in dem nicht öffentlichen Papier genannten Streckenabschnitte zu identifizieren. Das erforderliche Finanzvolumen wird vom BUND mit 30 Milliarden Euro benannt. Gegen Neubaustrecken der Bahn argumentiert der BUND allerdings in gleicher Weise.

„Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“ Diesen Satz bestätigt der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages:

https://www.bundestag.de/resource/blob/855100/a3a015f40fee3b8182c41bc48c362277/WD-5-044-21-pdf-data.pdf

Zwar enthält dieser Bericht keine quantitativen Daten über den Mehrverkehr, lässt aber erkennen, dass Ausbauten von Straßen binnen weniger Jahre wieder zu einer Vollauslastung führen, sodass die Beseitigung von Staus sich als Fehlschlag erweist. Der Abschlussbericht zum Deutschlandtakt enthält hingegen Zahlen, dass die Zunahme des Bahnverkehrs durch den Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken zu 85 % auf Verlagerungen von Pkw-Fahrten, zu 5 % von Flugreisen und nur zu etwa 10 % auf Neuverkehr beruht.




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Rainer Engel, Referent Deutschlandtakt
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