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Im neuen Jahr wird die Planung der Deutschen Bahn für die Neubaustrecke Hannover - Bielefeld erste konkretere Grobtrassen bringen. Bis dahin haben die Planer noch einen weiten Weg zurückzulegen. Kritiker starten schon jetzt mit Gegenvorschlägen. Doch lesen Sie selbst, wie diese fachlich zu beurteilen sind.

Das Gutachten Bahnzentrum / Widuland

Am 20. Januar hat die Bürgerinitiative Widuland eine Studie des Bahnzentrums vorgestellt, das die Möglichkeit eines bestandsnahen Ausbaues zwischen Minden und Wunstorf nachweisen und die Neubaustrecke Bielefeld – Hannover überflüssig machen soll. Die Studie berechnet die Fahrzeit Hannover – Bielefeld auf 41 Minuten (heute 48 Minuten, Deutschlandtakt 31 Minuten). Die Höchstgeschwindigkeit der ICE-Züge soll nur 250 km/h betragen.

Der Link zum Video der Pressekonferenz
https://www.youtube.com/watch?v=ZsZr89gPlbw
Klicken Sie gleich auf Minute 25, vorher dudelt nur Musik.
Der Link zur Studie
https://widuland.de/Studie-2022/
Eine ausführliche Stellungnahme der Initiative Deutschlandtakt ist hier zu lesen:
https://neubaustrecke-bielefeld-hannover.de/willkommen/stellungnahme-zur-studie-bahnzentrum-widuland/
Eine Stellungnahme zu Details der vorgeschlagenen Streckenführung finden Sie hier:
https://neubaustrecke-bielefeld-hannover.de/willkommen/details-stellungnahme-trasse-bahnzentrum-widuland/
Kommentare anderer Beobachter finden Sie hier:
https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?002,9969100

Der politische Kommentar
Zunächst hat es schon ein Geschmäckle, wenn eine Bürgerinitiative aus Nordrhein-Westfalen eine Studie erstellen lässt, die Neubauten nur in Niedersachsen vorsieht. Das Prinzip des Sankt Florian haben die Autoren der Studie nicht zu verantworten.
Beachtlich ist auch, dass die Studie einräumt, dass um einen Neubau nicht herumzukommen ist. Es ehrt die Autoren der Studie, dass sie auf die Beeinträchtigungen der Bestandsstrecke ausdrücklich hinweisen, die bis zur Vollsperrung reichen, und sich bemühen, diese Beeinträchtigungen zu minimieren.
Es hat in Niedersachsen Tradition, dass Neubauten bis aufs Messer bekämpft werden und geglaubt wird, der Bestand sei schneller und billiger auszubauen. Mehr oder weniger kompetente Kritiker versuchen immer wieder, nachzuweisen, dass man zusätzliche Gleise einfach neben den Bestand legen könne. Doch an andere Stelle gehen die Autoren der Studie diesen Kritikern auf den Leim und schreiben völlig unnötig ein ganzes Kapitel darüber, dass die Neubaustrecke Hannover – Hamburg überflüssig sei.
Es ist auch noch verständlich, dass die Autoren der Studie die Vorarbeiten von Schüßler Plan für kompetent halten und daraus Planungsansätze ungeprüft übernehmen. Immerhin hat Schüßler Plan im Auftrag des Bundesverkehrsministers Pläne erstellt, um die Annahmen des Deutschlandtakts zu untermauern. Erst bei näherem Hinsehen erweisen sie sich als nicht haltbar. Man muss sehr tief in die technischen Parameter des Tunnelbaus eindringen, um zu verstehen, dass man mit einer Strecke für Güterzüge nicht einfach unter einem Dorf durchtauchen kann, das im Weg ist. Das macht Schüßler Plan aber vielfach, und die Studie macht es nach.
Die Autoren der Studie hätten allerdings erkennen können, dass ihre Annahmen an einigen Stellen zu oberflächlich sind. Heute sind im Internet so viele geografische Daten vorhanden, um abzuschätzen, wo ein erforderliches Gefälle oder eine Steigung unterzubringen ist und wo nicht. Die meisten Daten sind bei Google zu finden.
Vielleicht haben die Autoren sogar geahnt, dass ihr Auftrag nicht erfüllbar ist. Während an einigen Stellen sehr präzise und durchaus kompetente Planungen für Neubauabschnitte vorgelegt worden sind, bleiben die Aussagen zum Abschnitt entlang der Bestandsstrecke bemerkenswert unpräzise. Es wäre interessant zu erfahren, wie die Reaktion in Stadthagen und Kitvchhorsten aussieht, wenn präzise benannt wird, was alles abgerissen werden muss, um oberirdisch zwei Gleise unabhängig vom Bestand, aber in nächster Nähe zu bauen. Die Planer der DB werden sich dieser Aufgabe stellen müssen, werden aber immer wieder bezichtigt, mit bösem Willen die Folgen zu übertreiben, um einen Neubau an anderer Stelle durchzusetzen.
Hätten die Autoren den Grundsatz „Erst der Fahrplan" beherzigt, hätten sie schon vorher erkennen können, dass ihr Ansatz nicht erfolgversprechend ist. Sie verlängern die Fahrzeit von Hamm nach Hannover um eine Viertelstunde, und erzeugen so viele Brüche in dem auf Halbstundentakt und Stundentakt beruhenden Zielfahrplan zum Deutschlandtakt. Um dies nicht darzustellen, schreiben sie nur die Fahrpläne von Hannover bis Dortmund neu. Wer aber einen besseren integralen Taktfahrplans schreiben will, muss die umfassende Arbeit der Schweizer Gutachter SMA von Berlin bis Köln, von Dresden bis Münster durcharbeiten. Um über die Auswirkungen ihrer Planung hinwegzutäuschen, vermeiden die Gutachter die Aussage, dass ihr Vorschlag die Fahrzeit von Köln nach Berlin nur um 7 Minuten kürzt statt um eine halbe Stunde, und dass die Fahrzeit von Münster nach Magdeburg überhaupt nicht kürzer wird, weil die Anschlüsse nicht passen.
Es ist sehr bedauerlich, dass die Studie so viele fachliche Mängel aufweist. Mehr Präzision und eine Konzentration auf die eigentliche Trasse zwischen Minden und Wunstorf hätte der Sache mehr gedient. Eine präzise Herausarbeitung der Fragen an die Politik wäre hilfreicher gewesen.
Denn die hinter der Studie stehenden Anliegen sind durchaus diskussionswürdig.
Wer Geld beim Neubau sparen will, sollte zuerst darüber nachdenken, ob es wirklich notwendig ist, im Mittelgebirge Neubaustrecken für den schweren Güterverkehr zu bauen, erst recht dann, wenn die Güterzüge dort nur nachts fahren sollen. Die Mehrkosten dafür sind enorm.
Wer noch mehr Geld sparen will, muss darüber nachdenken, wo Gewerbegebiete und Wohnbauten abgerissen werden können, um die Strecke billiger zu bauen – und muss das auch politisch und rechtlich durchsetzen.
Wer den Fernverkehr nur mit 250 km/h statt 300 km/h betreiben möchte, muss nicht nur den gesamten Deutschlandtakt neu schreiben und kommt dann um Investitionen an anderer Stelle, möglicherweise in gleicher Höhe, nicht herum, sondern muss auch überlegen, ob die von der Politik geforderten Fahrzeitverkürzungen durch zusätzliche Sprinterzüge hereingeholt werden können. Zwar weist die Studie zu Recht darauf hin, dass der Energieverbrauch bei 300 km/h exponentiell ansteigt, doch rechnet man dagegen zusätzliche Sprinterzüge, wie sie die Deutsche Bahn zwischen Köln und Berlin ohne Halt bereits einsetzt, so geht die Rechnung schon nicht mehr ohne weiteres auf: Drei ICE mit 250 km/h verbrauchen genauso viel Energie wie zwei mit 300 km/h, wenn damit die gleiche Anzahl Fahrgäste befördert wird.

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Initiative Deutschlandtakt und
PRO BAHN NRW e.V., PRO BAHN Niedersachsen e.V.
Rainer Engel, Referent Deutschlandtakt
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