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Bericht vom Plenum des Planungsdialogs

Am 9. März hat die Deutsche Bahn das erste Plenum des Planungsdialogs zur Neubaustrecke zwischen Hannover und Bielefeld durchgeführt. Aufgrund der Pandemie fand das Treffen digital statt. Eingeladen waren über 100 Organisationen, darunter 10 Bürgerinitiativen, etwa 20 Non-profit-Organisationen aus dem Bereich Klima- und Naturschutz und Fahrgastvertreter, weiter Organisationen der Wirtschaft wie Industrie- und Handelskammern und Logistik-Organisationen, Aufgabenträger des öffentlichen Verkehrs, Vertreter der Landwirtschaft und die Verkehrsministerien aus Düsseldorf und Hannover sowie etwa 50 Landkreise und Gemeinden, die von dem Projekt betroffen sein können. Teilgenommen haben über 130 Personen.
Mit einer so umfassenden Bürgerbeteiligung hat die Deutsche Bahn in anderen Planungsverfahren positive Erfahrungen gemacht. So konnte jüngst das seit Jahrzehnten hochumstrittene Projekt der Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim mit Billigung durch das Forum des Planungsdialogs zum Abschluss gebracht werden.
Auf der Tagesordnung stand im Mittelpunkt die Erläuterung der Grundlagen des Planungsprozesses und die Methodik, mit der die DB eine geeignete Trasse finden und dabei die Interessen der Bürger berücksichtigen will. Die DB wird mögliche Trassen in einem sehr großen Raum suchen, der nördlich von Minden beginnt und bis vor die Tore von Hameln reicht und dabei alle geografischen Hindernisse – fachlich „Raumwiderstände“ genannt - auf einem bisher leeren Blatt Papier eintragen. Die Prüfung der Nutzbarkeit und Ausbaubarkeit der Bestandstrassen wird ebenfalls geprüft. Die Deutsche Bahn handelt in dem gesamten Verfahren im Auftrag der Bundesregierung, hat aber erreicht, dass die Bundesregierung keine Vorgaben zur Streckenführung macht. Daher sind alle bisher in die Öffentlichkeit gelangten Voruntersuchungen des Büros Schüßler Plan für den Planungsprozess ohne Bindungswirkung und alle anderen Spekulationen über konkrete Trassen ohne Bedeutung.

Bleibt der Planungsauftrag Geheimsache?
Von großer Bedeutung und damit auch Gegenstand engagierter Diskussion und engagierter Forderungen waren der Deutschlandtakt und der Inhalt des Planungsauftrages.
Der Planungsauftrag ist inzwischen schriftlich vom Bundesverkehrsministerium über das Eisenbahnbundesamt bei der DB eingegangen. Er soll in den nächsten Tagen im Internet zur Verfügung stehen. Allerdings wurde im Laufe der Diskussion klar, dass die DB den Auftrag nicht vollständig veröffentlichen darf. Dies stieß auf heftige Kritik der Mitglieder des Plenums und auch der anwesenden Bundestagsabgeordneten Stefan Schwartze und Britta Haßelmann , die berichteten, dass sie seit Monaten versuchen, diesen Planungsauftrag zu bekommen und vom Ministerium keine oder nur ausweichende Antworten erhalten. Es wurde deutlich, dass die Verfahrensweise des Ministeriums das Vertrauen, das die DB mühsam zu gewinnen versucht, nachhaltig zerstört. Der DB Konzernbevollmächtigte Werner Lübberink sagte zu, alles daran setzen zu wollen, dass der Planungsauftrag veröffentlicht wird.

Einschränkende Vorgabe zum Deutschlandtakt
DB-Chefplaner Carsten A, Müller machte deutlich, dass der Planungsauftrag nur den Abschnitt Hannover – Bielefeld betrifft und daher eine übergreifende Planung nicht möglich sei. Auch das stieß auf erhebliche Kritik, da inzwischen – auch über die Arbeit des Unterzeichners – bekannt ist, dass Fahrzeitreserven außerhalb des Planungsraums in Betracht kommen, die eine längere Fahrzeit als 31 Minuten von Bielefeld nach Hannover zulassen, ohne den Deutschlandtakt als Ganzes infrage zu stellen.

Osnabrück und Amsterdam einfach abgehängt
Zugleich konnte der Unterzeichner aus einer anderen Sitzung den Eindruck berichten, dass die Beschleunigung des Verkehrs von Amsterdam und Osnabrück nach Hannover ganz im Zielfahrplan einfach undiskutiert außen vor geblieben war. Bekanntlich enthält der Bundesverkehrswegeplan 2030 mit der Planung von 2016 (Porta-Tunnel) eine Trasse, deren Fahrzeitverkürzung (8 Minuten) auch vollständig aus Osnabrück hätte genutzt werden können. Der Zielfahrplan 2030+, jetzt als Deutschlandtakt bezeichnet, hingegen sieht nur noch eine Fahrzeitverkürzung von 4 Minuten vor. Im dritten Entwurf steht weiter ein zusätzlicher ICE mit 300-km/h-Fahrzeugen, die diese Geschwindigkeit im Abschnitt Hannover – Osnabrück überhaupt nicht ausfahren dürfen und noch wenige Minuten schneller ist, weil er in Bünde und Minden durchfahren soll. Diese Fahrzeitverkürzungen und damit die Realisierung des Deutschlandtakt-Fahrplans 1:1 ist aber überhaupt nur möglich, wenn eine Neubaustrecke über Stadthagen führt. Diese Festlegung wurde schon seit Erscheinen des ersten Entwurfs des Zielfahrplans als unzulässige Vorfestlegung der Trassenführung kritisiert. Die Bundesregierung hat dann selbst drei Varianten untersuchen lassen, die keinerlei Fahrzeitverkürzung in Richtung Osnabrück zulassen (Schüßler Plan Variante 2, 3 und 4), und die DB lässt ebenfalls mit ihrem Suchraum sehr viele Varianten zu, die die Fahrzeitvorgabe für Hannover – Osnabrück nicht erreichen können, weil die Neubaustrecke von Osnabrück aus überhaupt nicht genutzt werden kann.
Daraus ist zu folgern, dass der Zielfahrplan und damit die dort enthaltenen Fahrzeitvorgaben nicht 1:1 einer Trassenauswahl zugrunde gelegt werden. Ein Ansatz, der ausschließlich auf die Fahrzeit Bielefeld – Hannover Bezug nimmt und die Fahrzeit Osnabrück – Hannover einfach völlig außen vor lässt, ist unseriös. Genau diesen Weg der Unseriosität repräsentieren die Schüßler-Varianten aber, indem sie nur die Kosten je Minute Fahrzeitverkürzung Hannover – Bielefeld angeben und die Fahrzeitverkürzung nach Osnabrück gar nicht erwähnen. Diese Unseriosität wird bestätigt durch das Weglassen der kostengünstigsten Variante einer Neubaustrecke Stadthagen – Bad Oeynhausen, die den günstigsten Wert je Minute Fahrzeitverkürzung Bielefeld - Hannover erreicht hätte.
Mehr zu diesem Detailthema finden Sie hier:
Suchraum und Schüssler-Varianten

Workshop zum Deutschlandtakt
Die Diskussion endete mit dem klaren Wunsch, dass der Deutschlandtakt als Planungsvoraussetzung möglichst zeitnah in einem Workshop diskutiert und die Planungsvoraussetzungen klargestellt werden. Diese Forderung hat auch Eingang in die Zusammenfassung des Tagungsergebnisses gefunden.

Beteiligung der Umweltverbände
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage, wie sich die Umweltverbände in dir Erarbeitung der Planungsgrundlagen möglichst früh einbringen können. Es entstand der Eindruck, dass dies sehr von der Arbeitsweise der DB abhängt – der gute Wille, diese Beteiligung zu leisten, wurde deutlich. Entscheidend ist, dass das nun auch umgesetzt wird.

Raumordnungsverfahren
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage nach dem Raumordnungsverfahren. In Niedersachsen und NRW gelten sehr unterschiedliche Bestimmungen für das Raumordnungsverfahren. Darüber hinaus befindet sich der Regionalplan der Bezirksregierung Detmold gerade in der Neuaufstellung, die Bürgerbeteiligung ist noch bis 31. März möglich:
https://www.bezreg-detmold.nrw.de/wir-ueber-uns/organisationsstruktur/abteilung-3/dezernat-32/regionalplan-owl
Der Unterzeichner wird hierzu eine Stellungnahme einreichen.
Die DB bemüht sich derzeit, für das über die Landesgrenze hinweg einheitliche Vorhaben ein übergreifendes Raumordnungsverfahren zu erreichen. Dies ist auch für andere Neubaustrecken gelungen.

Öffentlich verfügbare Informationen
Die Präsentation aus dem ersten Planungsdialog steht unter
http://www.hannover-bielefeld.de/sites/default/files/2021-02-19_Erstes_Plenum.pdf
Zur Verfügung. Darin sind auch die nächsten – nicht öffentlichen – Termine genannt. Die Zusammenfassung auf Seite 46 ist das Ergebnis einer lebhaften und kontroversen, aber gut moderierten Schlussphase Sitzung.
Ein Protokoll wird unterstellt und nach Abstimmung zur Verfügung stehen. Eine Aufzeichnung der Redebeiträge wird voraussichtlich nicht ins Netz gestellt. Dies dürfte auch im Interesse der Teilnehmer sein, denn die Beiträge kamen spontan und mit großer Sachnähe, es gab keine Fensterreden. Die Nichtveröffentlichung könnte auch die künftige Arbeit und die freie und ehrliche Äußerung sehr erleichtern.

Gesamteindruck und Kommentar
Sowohl von den Teilnehmern wie von den Vertretern der DB ist das Bemühen spürbar, innerhalb dieses Verfahrens sachlich und ernsthaft sich den anstehenden Problemen zu stellen. Dabei besteht seitens der Teilenehmer ein großer Bedarf, Informationen zu gewinnen, um überhaupt auf Augenhöhe mitreden zu können. Untergründig schwingt in vielen Beiträgen die Skepsis mit, ob die Informationen der DB wirklich vollständig sind, und diese Skepsis wird zum klaren Protest, sobald grobe Mängel der Information, aus welcher Verantwortung auch immer, erkannt werden und Mitglieder sich eingeschränkt fühlen, wirklich alle relevanten Themen diskutieren zu dürfen. Das Thema „Deutschlandtakt“ ist nur ein Anzeiger für diese Gefühlslage. Ohne die Bereitschaft des Bundesverkehrsministeriums, eine vollständige Information und eine erweiterte Diskussion zuzulassen, dürfte das Verfahren an einen Punkt gelangen, an dem eine Konfrontation der Interessen aufbrechen und in Blockade münden könnte.

Termin
Merken Sie sich den
26. April 2021
Vor. An diesem Tag soll der erste öffentliche Infomarkt zum Projekt stattfinden.



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Initiative Deutschlandtakt und
PRO BAHN NRW e.V., PRO BAHN Niedersachsen e.V.
Rainer Engel, Referent Deutschlandtakt