Logo
Guten Tag!

Die Diskussion um konkretere Trassen ist eröffnet.

Grobkorridore für die Neubaustrecke Bielefeld – Hannover vorgestellt

Am 9. November hat die Deutsche Bahn die ersten Ergebnisse ihrer Untersuchung für eine Bahn-Neubaustrecke zwischen Bielefeld und Hannover dem Bürgerforum vorgestellt. Die sogenannten Grobkorridore, die vorgestellt wurden, bedeuten nicht, dass diese Trassen aussichtsreich sind, sondern nur, dass sie aufgrund der ersten Voruntersuchung nicht ausgeschlossen werden können, weil keine großflächigen Hindernisse ersichtlich seien, und nun vertieft untersucht werden sollen, auf welche ökologischen und bautechnischen Probleme sie stoßen.
Für eine Nutzung wird auch die Bestandsstrecke untersucht. Aus den bestehenden Gleisen kommen mehrere Ausfädelungen im südwestlichen Bereich in Betracht:
• Südlich und nördlich des Bahnhofs Bielefeld-Brake
• Nördlich von Herford
• Im Bereich der Weserbrücke zwischen Bad Oeynhausen und Porta
• Und unmittelbar in Porta
Querungen der Weser kommen von Porta bis östlich Hessisch Oldendorf in Betracht.
Der nördlich davon in Betracht zu ziehende Raum reicht großflächig von Bückeburg bis Seelze jeweils bis zum Mittellandkanal. Entsprechend der gesetzlichen Vorgabe, dass Verkehrswege möglichst zu bündeln sind, wurden auch die näher zu untersuchenden Grobtrassen am Mittellandkanal, an der Bestandsstrecke von Bückeburg bis Lindhorst und an der Autobahn 2 berücksichtigt. Aufgrund der Großflächigkeit des zu prüfenden Raums kann hier keine Aussage getroffen werden, wo Verknüpfungen mit der Bestandsstrecke in Betracht kommen.
Karten sind unter
www.hannover-bielefeld.de
abrufbar, sie befinden sich im Foliensatz zum 3. Plenum vom 9. November. Aufgrund der hohen Auflösung der eingebundenen Karten umfasst die Datei über 7 MB. Noch höher aufgelöste Karten für Planungszwecke können beim Planungsteam abgerufen werden.
Diese Karten enthalten sehr viel mehr Hintergrundinformationen, als aus der von der Presse veröffentlichten Karte hervorgehen. So lässt eine Karte auf Seite 36 erahnen, dass ohne Eingriffe in schutzwürdige Interessen eigentlich keine Straße, kein Gewerbegebiet und keine Eisenbahn mehr gebaut werden darf. Auch die weiteren Karten über die Raumwiderstände legen das nahe. Damit wäre aber der Stillstand der Entwicklung der Infrastruktur verbunden, während das Verkehrsbedürfnis weiter wächst. Um dieses Verkehrsbedürfnis mit den beschränkten Ressourcen in Einklang zu bringen, sind Kompromisse notwendig, also die Suche nach dem „geringsten Übel“.
Die Untersuchungen finden zunächst unabhängig davon statt, ob die Fahrzeit von 31 Minuten erreicht wird. Der Fahrgastverband PRO BAHN begrüßt dieses Vorgehen ausdrücklich. Schon aus Rechtsgründen ist eine Prüfung aller Varianten erforderlich. Es nützt den Fahrgästen von morgen nichts, die letzte Minute Fahrzeit herauszuholen, wenn dadurch große Umweltschäden entstehen. Eine Planung würde vor den Gerichten nicht standhalten, wenn nicht alle denkbaren Alternativen bewertet sind.
In der Karte der Grobtrassen ist keine Grobtrasse enthalten, die Minden anbindet. Geprüft wird die Einbindung von Minden im Zusammenhang mit der Bestandstrasse. Hierzu, so wurde berichtet, ist der Gutachtenauftrag erteilt, mit dem Ergebnis wird für Frühjahr gerechnet.
In der Karte ist auch eine Grobtrasse enthalten, die in Porta direkt in den Jakobsberg führt. Es soll näher geprüft werden, ob eine solche Trassenführung möglich ist, ohne die KZ-Gedenkstätte zu berühren. Theoretisch muss dies für möglich gehalten werden, praktisch ist die Aussicht gering, dass eine solche Trasse eine Chance hat. Schon die erzielbaren Geschwindigkeiten sind so gering, dass ein Fahrzeitgewinn nicht realisierbar sein dürfte. Die im Entwurf des Bundesverkehrswegeplan 2016 enthaltene Trasse durch den Jakobsberg war wesentlich gradliniger und für 230 km/h gedacht und sollte unter die Ortschaft Lerbeck abtauchen.
Im südlichen Bereich Bielefeld / Herford / Bad Salzuflen fällt auf, dass hier – neben der Nutzung der Bestandsstrecke - nur der schmale Korridor zwischen Bestandsstrecke und Autobahn 2 in Betracht kommt. Ein wesentlicher Grund liegt darin, dass das Tal der Werre und Bega zwischen Herford und Detmold derart mit Siedlungen und Naturschutzgebieten durchsetzt ist, dass eine Trasse für höhere Geschwindigkeiten von vornherein ausgeschlossen werden musste. Weiter nördlich erscheint es aber möglich, das Kalletal und das Extertal zu überqueren, um erst östlich von Rinteln die Weser zu queren.
Unter den Grobkorridoren befinden sich auch die Räume, in denen die Trassen von Schüßler Plan liegen, die für die Wirtschaftlichkeitsberechnung des Deutschlandtakts erstellt wurden. Dass diese recht gradlinigen Trassen, die nach Angabe der damaligen Planer die Fahrzeit von 31 Minuten erbringen sollen, so realisiert werden können, ist genauso fraglich wie die genaue Einhaltung der Zielfahrzeit von 31 Minuten. Schon 10 Kilometer, die nur für 160 km/h statt für 300 km/h gebaut werden, weil sie durch dicht bebautes Gelände führen, erhöhen die Fahrzeit um 2 Minuten. Der Deutschlandtakt gibt ein paar Minuten mehr her und ermöglicht damit umweltverträglichere Lösungen – wird das auch die nächste Bundesregierung möglich machen?
Zu anderen Grobtrassen jetzt weitergehend Stellung zu nehmen, wäre verfrüht.

*
Erste Reaktionen
VCD Niedersachsen
In einer Pressemitteilung des VCD-Landesverbandes Niedersachsen vom 10.11.2021 heißt es: „Von einer Beschleunigung würde auch Niedersachsen massiv profitieren. Der VCD verweist auf die ab kommenden Dezember eingesetzten ICE-Sprinter, die aus Fahrzeitgründen sogar in Hannover durchfahren. Mützel: „Mit der Schnellfahrstrecke könnten diese in Hannover und Wolfsburg halten – und wären dennoch schneller!“
Nach Ansicht des VCD müsse ergebnisoffen geprüft werden, ob eine weitgehend siedlungsferne Neubaustrecke mit hohem Tunnelanteil tatsächlich eine höhere Belastung für die Bevölkerung bedeutet. Ein reiner Ausbau der Bestandsstrecke würde den gesamten Verkehr mitten durch die Städte wie Wunstorf, Stadthagen und Bückeburg führen. Sie kann keine relevanten Fahrzeitverkürzungen im Personenverkehr erreichen und trägt wenig zu einer Attraktivitätssteigerung der Bahn gegenüber Auto und Flugzeug bei.
Der VCD ist für einen konsequenten Ausbau des Bahnnetzes für den Deutschlandtakt. Die Belastungen aus einer Bahnstrecke sind dabei leider nicht zu vermeiden, aber deutlich geringer als bei jeder Autobahn.“
Lippische Landeszeitung
Am 11.11. berichtet die Lippische Landeszeitung auf der Kreisseite ausführlich und korrekt. In einem Kommentar von Thomas Reineke heißt es: „Die Planer haben eine möglichst gerade Linie zwischen Bielefeld und Hannover im Kopf.“ Das trifft so nicht zu. Der Auftrag mit der Vorgabe für die Planer, „31 Minuten“ zu realisieren, ist der wesentliche Grund.
Weiter heißt es in dem Kommentar: „Allein deshalb ist es unrealistisch, dass die Strecke durch Kalletal und Extertal geführt wird.“ Auch das ist so nicht richtig. Ein 300 km/h Hochgeschwindigkeitszug legt in einer Minute 5 Kilometer zurück, es kommt also zeitlich kaum auf 5 Kilometer mehr oder weniger an. Viel entscheidender sind die Baukosten und der Umfang des Landschaftsverbrauchs. Sollte sich herausstellen, dass im dicht besiedelten Bereich nur mit viel schärferen Kurven kein Durchkommen ist, so schwindet der Vorteil einer direkten Streckenführung sehr schnell. Für Prognosen ist es noch viel zu früh.

*
Abschlussbericht zum Deutschlandtakt

Der im letzten Newsletter angesprochene Abschlussbericht zum Deutschlandtakt steht unter
https://downloads.ctfassets.net/scbs508bajse/7hundjzKsJuMMt31b3tv5a/0e3d5a8e981c3d8068ebc95254e53894/2021-08-31_Abschlussbericht_Deutschlandtakt_1-00_gesamt.pdf
zum Download zur Verfügung.
Wer die 323 Seiten nicht daraufhin durchforsten will, was für die Projekte von Dortmund bis Berlin und damit auch für die Neubaustrecke Bielefeld – Hannover relevant ist, kann zu einem Auszug greifen,
https://neubaustrecke-bielefeld-hannover.de/Download/2021-10-18_Auszug_Abschlussbericht_Deutschlandtakt_DO-H-B.pdf
in dem der Unterzeichner alle relevanten Teile im Originaltext schneller lesbar gemacht hat. Der Auszug ist mit Kommentaren und Querverweisen versehen und erleichtert so das Erkennen von Widersprüchen und Unzulänglichkeiten.

Bemerkenswertes zu Seelze und Löhne

Eine Merkwürdigkeit, die dabei aufgefallen ist, findet sich in Seelze. Hier enden die getrennten S-Bahn-Gleise, und hier soll die Neubaustrecke ausgefädelt werden. Um die maximale Kapazität zu erreichen, sollten beide Einfädelungen kreuzungsfrei erfolgen, und um dies sinnvoll zu planen, sollte dies aus einem Guss erfolgen. Doch bei der Finanzierung macht der Abschlussbericht einen Unterschied: Die Ausfädelung der Neubaustrecke soll der Bund direkt bezahlen, die Einfädelung der S-Bahn soll hingegen das Land Niedersachsen aus dem Anteil an der Gemeindefinanzierung bewilligen. Solche Ungereimtheiten fordern Kritik heraus.
Eine weitere Merkwürdigkeit ist der Eintrag in der Liste der Maßnahmen für den Bundesverkehrswegeplan zum Bahnhof Löhne. Ausbauten im Zulauf von/nach Osnabrück sollen drei Minuten Fahrzeitgewinn bringen und fast 200 Mio. Euro kosten. Das ist allerdings nur ein Bruchteil der Kosten, die für den Fahrzeitgewinn, bezogen auf die Minute, zwischen Hannover und Bielefeld anfallen. Gebaut werden soll in Löhne aber nur, wenn die Neubaustrecke diesen Fahrzeitgewinn nicht einbringt. Das wäre nötig, wenn eine Neubaustrecke entlang der A 2 auf Seelze zulaufen würde.
Damit kommt eine alte Frage wieder auf den Tisch: Gab es eine Vorfestlegung zur Neubaustrecke, dass diese durch Stadthagen führen muss? Ist diese Maßnahme nachträglich eingebracht worden, um damit nachträglich die Vorfestlegung zu kaschieren?
Vielleicht verzichten wir auf die Antwort. Denn nach dem Stand der Dinge werden die dafür politisch Verantwortlichen im Bundesverkehrsministerium noch in diesem Jahr ihren Schreibtisch räumen.

Stellungnahme zum Abschlussbericht

Die Initiative Deutschlandtakt hat eine Stellungnahme zu diesem Abschlussbericht eingereicht,
https://initiative-deutschlandtakt.de/Download/2021-10-08%20Stellungnahme%20Initiative%20Deutschlandtakt%20zu%20Abschlussbericht%202021.pdf
die in 7 Punkten Kritik übt und Weiterentwicklung anmahnt:
• Einen Deutschlandtakt aus einem Guss sollte der Bund allein finanzieren. Das Einsammeln“ von Finanzierungsbeiträgen für das Bundesschienennetz bei den Ländern führt nicht zu optimalen Ergebnissen.
• Der Bund sollte die Bundesländer verpflichten, Zukunftsnetz für den Regional- und Nahverkehr mit dem Planungshorizont 2035 zu konzipieren und dabei Vorgaben des Klimaschutzes einhalten.
• Der Bund soll zur Wahrnehmung seiner gesetzlichen Verantwortung für den Schienenpersonenfernverkehr einen Bundes-Aufgabenträger aufbauen, um sich in Zukunft kompetent mit den Aufgabenträgern des SPNV abzustimmen und ein ausgewogenes Liniennetz des Deutschlandtakt zu erreichen.
• Die Akzeptanz von Großprojekten des Neu- und Ausbaus von Schienenwegen kann zur schnelleren Realisierung durch Prüfung von Alternativen und Zusatznutzen für die Regionen gesteigert werden. Auch dafür ist ein Bundes-Aufgabenträger notwendig.
• Regulierung, Trassenvergabe, Marktmodell im SPFV und Tarif sollen politisch eine weitaus größere Rolle spielen.
• Die internationale Abstimmung des Deutschlandtakts muss intensiviert werden.
• Der Schienengüterverkehr soll mit höheren Wachstumszielen stärker berücksichtigt werden. Dazu sind auch Anlagen wie Terminals des kombinierten Verkehrs in die Planungen des Deutschlandtakts einzubeziehen.
Mit dem Zielfahrplan und dem Abschlussbericht steht der Deutschlandtakt also erst am Anfang. Auf die neue Bundesregierung wartet eine große Aufgabe. Sie könnte damit beginnen, die Mängel des als Entwurf bezeichneten Abschlussberichts zu beheben.




Dieser Newsletter braucht finanzielle Unterstützung.
Dieser Newsletter wird finanziell durch den Fahrgastverband PRO BAHN NRW e.V. getragen. Der Fahrgastverband PRO BAHN erhält keine öffentlichen Zuwendungen und ist auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen. Der Fahrgastverband PRO BAHN ist gemeinnützig, Spenden sind steuerbegünstigt. Unterstützen Sie uns, damit PRO BAHN Sie auch weiterhin informieren kann.
Spendenkonto IBAN DE11 3706 0590 0003 8078 00
BIC GENODED1SPK
Mitglied werden - Mehr Info


Danke für Ihr Interesse!

Initiative Deutschlandtakt und
PRO BAHN NRW e.V., PRO BAHN Niedersachsen e.V.
Rainer Engel, Referent Deutschlandtakt